Freestyle – S-Kader

Der S-Kader: Wenn Eltern das Einradfieber packt

Was passiert eigentlich mit Eltern, deren Kinder plötzlich eine ungeahnte Leidenschaft für eine Sportart entwickeln – und das ausgerechnet für eine, die man selbst bisher allenfalls aus dem Varieté kannte? Nun, da gibt es verschiedene Typen elterlicher Reaktionen:

Die Zurückhaltenden: Sie lassen ihre Kinder gewähren, bringen sie zum Training und holen sie wieder ab – das war’s. Der Rest liegt in der Hand von Trainern, Helfern und Zufall.

Die Unterstützenden: Sie stehen hinter ihrem Kind, helfen gelegentlich mit, fiebern mit – bleiben aber selbst eher außen vor.

Und dann gibt es Typ 3: Die Eltern, bei denen die kindliche Begeisterung auf fruchtbaren Boden fällt. Sie lassen sich anstecken. Sie begleiten die Kinder zu Wettkämpfen, helfen bei Meisterschaften als Streckenposten, Wertungsrichter oder Starthelfer – und übernehmen irgendwann sogar selbst das Training im heimischen Verein. Im Idealfall wird daraus ein richtiges Familienprojekt – insbesondere dann, wenn mehrere Kinder dem gleichen Hobby verfallen sind.

Und während man bei Wettbewerben oder Trainingslagern stundenlang auf dem Campingstuhl sitzt, kribbelt es irgendwann in den Füßen: „Eigentlich… könnte ich es ja auch mal versuchen.“ Und genau da beginnt der Spaß.

So fanden viele Erwachsene über die sprichwörtliche Seitenlinie selbst aufs Einrad – oft mit großer Ausdauer, wachsendem Ehrgeiz und beeindruckenden Fortschritten. Inzwischen gehören Altersklassen 40+, 50+ und sogar Ü60 bei nationalen Meisterschaften hin und wieder und bei UNICON-Veranstaltungen regelmäßig zum festen Programm. Und: Die Startfelder sind alles andere als klein. Viele der Teilnehmenden sind – Überraschung – Eltern von Einrad-Kids.

Die Geburtsstunde des S-Kaders

Eine besonders engagierte Truppe von vier Einrad-Eltern kam bei der UNICON 17 im Sommer 2014 in Montreal auf eine charmante Idee: Warum nicht eine eigene Trainingsgruppe gründen – nicht nur als Ausgleich, sondern als echtes Projekt? Ein paar Wochen später – beim traditionellen Einrad-Camp in Bad Tölz, das damals jedes Jahr am letzten Ferienwochenende stattfand – wurde die Idee konkretisiert. Tagsüber trainierte man am Blomberg (Muni) oder in der Halle (Freestyle), abends saß man gemütlich in der Mensa der Sportjugendherberge. Und wie das so ist, wenn engagierte Menschen zusammenkommen: Es entstehen nicht nur Trainingspläne, sondern auch ziemlich verrückte Ideen.

Dort fiel schließlich der Satz: „Dann gründen wir halt auch einen Kader!“

So entstand der sogenannte „S-Kader“ – gegründet von Ute Blaschke (Erding), Toni Mathes (Neukirchen), Michael Höhne (Gars) und Andreas Rodler (Landsberg), für das erste gemeinsame Projekt vervollständigt von Marco Hafemann (Lenting), Rüdiger Auernhammer (Lenting), Jürgen Kuhr (Thalmässing) und Sebastian Klaas (Lenting). Der Begriff „Kader“ ist dabei natürlich mit einem Augenzwinkern zu verstehen. Die Kinder der Gründungsmitglieder waren zu jener Zeit nämlich alle in den Freestyle-Kadern des EVB aktiv – also dachten sich die Eltern: Dann machen wir das eben auch! Ein eigener Kader – nicht für die Jugend, sondern zum Vergnügen für die Oldies.

Der Weg zum ersten Training: Ein Drahtseilakt

Was folgte, war weniger artistisch als organisatorisch akrobatisch: Wie bekommt man mehrere berufstätige Erwachsene unter einen Hut? Und wo findet man im Herbst überhaupt noch eine freie Halle?

Aber: Der S-Kader wäre kein S-Kader, wenn er sich davon hätte abhalten lassen. Irgendwann stand das erste Training – und viele weitere folgten.

Von Schneewittchen bis Mambo – Der S-Kader auf der Wettkampfbühne

Der erste große Auftritt des S-Kaders fand im November 2014 bei der Bayerischen Meisterschaft in Lenting statt. Unter dem Motto „7 Zwerge und das Schneewittchen“ verzauberten die mutigen Erwachsenen das Publikum – mit einer Kür, die aus der Feder von Anna-Lena und Ute Blaschke stammte. Das Ergebnis: Ein voller Erfolg – und der Startschuss für viele weitere kreative Projekte auf einem Rad.

Im Laufe der Jahre veränderte sich die Gruppe natürlich: Neue Fahrerinnen und Fahrer kamen dazu, andere mussten aus beruflichen oder gesundheitlichen Gründen kürzertreten. So manches Gelenk meldete sich kritisch zu Wort – Trainingspausen inklusive. Doch der S-Kader ließ sich nicht beirren: Die Gruppe wuchs weiter.

Mittlerweile sind auch Fahrer*innen Teil des Teams, die selbst keine Kinder im Einradsport haben – oder nach Karrierebeginn, Babypause oder Einrichtung des Eigenheims endlich wieder Zeit (und Lust!) gefunden haben, gemeinsam mit anderen zu trainieren.

Das Durchschnittsalter? Wird streng geheim gehalten. Aus gut informierten Kreisen ist jedoch zu hören, dass es sich eher jenseits der 50 als darunter einpendelt.

Die organisatorische Leitung liegt bis heute in den bewährten Händen von Ute Blaschke. Ihrer Ausdauer und Hartnäckigkeit ist es zu verdanken, dass der S-Kader noch immer aktiv ist – und dass Trainingstreffen und Wettkampfteilnahmen nach wie vor für gute Laune sorgen. Danke, Ute, dass du nie müde wirst, zu motivieren – und auch dann noch dranbleibst, wenn sich Antworten auf Terminvorschläge wieder einmal im digitalen Nirgendwo verstecken.

Die Choreografie und das Training übernahm später Heike Höhne – und mit ihr entstanden Programme zu Themen wie:

  • „Tango“
  • „Chitty Bang Bang“ oder
  • „Carmen“

Ein ganz besonderer Erfolg gelang der Gruppe mit der Kür zu „Mambo Number 5“ von Lou Bega – hier durfte sich der S-Kader sogar über Bronze bei einer Bayerischen Meisterschaft freuen!

Natürlich – das Trickniveau des S-Kaders kann (noch) nicht mit dem Team A des Bayernkaders mithalten. Doch das ist auch gar nicht der Anspruch: Stattdessen glänzt die Gruppe mit ausdrucksstarker Performance, Spielfreude und Kreativität. Die „Mambo Number 5“- Kür hat es sogar in die Juryschulungen geschafft – als gelungenes Beispiel dafür, dass es nicht immer ein tricktechnisches Feuerwerk braucht, um auf der Fläche zu begeistern.

Intern wird der Kader übrigens liebevoll „Ess-Kader“ genannt – denn ein fester Bestandteil jedes Trainingswochenendes ist das gemeinsame Mittagessen in einem Gasthaus am jeweiligen Ort. Wer gut fährt, muss auch gut essen. Und zu Wettkampfanmeldungen verzichtet man natürlich auf den Begriff „Kader“.

Der bislang letzte Wettkampf fand im April 2025 bei der Oberbayerischen Meisterschaft in Waging statt. Nach einer wohlverdienten Sommerpause beginnt bald wieder das Training – dann mit dem Ziel „Zwergerlmeisterschaft“, die erneut in Waging ausgetragen wird.

Bis dahin wird das „Chitty Bäng Bäng“ noch einmal ordentlich auf Hochglanz poliert. Und zuvor gibt es vielleicht sogar noch einen gemeinsamen Trainingsausflug nach Nümbrecht zur 40+ – Convention. Die Planungen dafür laufen.